
Sunna (arabisch سنة ‚Brauch, gewohnte Handlungsweise, überlieferte Norm‘) Pl. sunan (سنن) ist ein Begriff, der in vorislamischer Zeit die Sitten, Bräuche, Werte und Normen der verschiedenen arabischen Stämme bezeichnete, im Laufe der Formierung des Islams aber eine religiöse Bedeutung erhielt, indem er zur Kurzbezeichnung für die zu befolgende sunnat an-nabī, die „Handlungsweise des Propheten (=Mohammed)“, wurde. In diesem Sinne wird Sunna insbesondere in der islamischen Jurisprudenz und Traditionswissenschaft verwendet. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Verschiebungen in der Bedeutung des Begriffs ergeben. Das zugehörige Verb ist استنّ سنّ, DMG sanna / istanna ‚etw. vorschreiben, etw. einführen
Sunna im KoranBegriff Sunna handelt es sich um ein altarabisches Wort, das schon in der vorislamischen Zeit (dschāhilīya) bekannt war. Die Bedeutung wird gemeinhin mit „etablierte Praxis“ oder „Verhaltensweise“ angegeben. Im Koran erscheint das Wort Sunna insgesamt 16 Mal, es wird allerdings erst in der medinischen Periode der Verkündigung verwendet. Inhaltlich geht es an fast allen Stellen um ein „unveränderliches“ (so 33:62) Handlungsmuster Gottes, das immer dann zum Tragen kam, wenn sich die Menschen bestimmter Verfehlungen, vor allem der Nichtanerkennung der vorherigen Propheten, schuldig gemacht haben. Dieses Handlungsmuster wird als die sunnat Allāh („Verfahrensweise Gottes“) oder sunnat al-awwalīn („Verfahrensweise der ersten Generation nach dem Propheten“) bezeichnet.
Das für den späteren Islam grundlegende Konzept einer Handlungsweise des Propheten (sunnat an-nabī) findet sich im Koran noch nicht, bereits im Koran verankert ist jedoch die das islamische Recht prägende Vorstellung der sunna māḍiya, der Sunna, die dadurch Bindekraft besitzt, dass sie schon früher zur Anwendung kam. Das arabische Verb maḍā, von dem das Partizip māḍiya abgeleitet ist, enthält, wie Meïr Bravmann gezeigt hat, beide Bedeutungen, die Vorgängigkeit und die Verbindlichkeit.[1] Die sunnat al-awwalīn, findet sich in Sure 8:38, wo es heißt: wa-qad maḍat sunnat al-awwalīn: „schon in der Vorzeit ist gegen die früheren (Generationen in der bekannten Weise) verfahren worden.“
Eine weitere Bedeutung von Sunna ist: „Gebrauch“, „Usus“ im Allgemeinen und kann regional unterschiedlich sein. Schon im Muwaṭṭaʾ des Mālik ibn Anas ist die „Sunna der Medinenser“ wegweisender Bestandteil der islamischen Jurisprudenz. In allen Zentren der islamischen Welt sprach man schon zu Beginn des 2. muslimischen Jahrhunderts (8. Jahrhundert) von der „sunna bei uns“ (al-sunna ʿindanā) und von der „sunna nach unserer Auffassung“ (al-sunna fī raʾyinā) usw., ohne dabei auf die Sunna des Propheten zurückgegriffen zu haben.[2] Das Antonym zu Sunna ist Bid’a (Ketzerei).
Schon in den frühesten Quellen des islamischen Schrifttums erscheint ein weiterer Begriff, der der Bedeutung von Sunna nahesteht: sīra (سيرة) „Prozedur“, „Verhaltens- und Lebensweise“. Oft werden beide Begriffe – wie darauf M. M. Bravmann (1972) hingewiesen hat – zusammen verwendet: „die Sunna des Propheten und seine Sīra“. In diesen Fällen ist sīra von der „Prophetenbiographie“ als literarische Gattung, ebenfalls sīra genannt, die die Vita Mohammeds zum Thema hat (Ibn Ishaq), zu unterscheiden.
Neben dem Koran ist die Sunna des Propheten die zweitwichtigste Quelle des islamischen Rechts. asch-Schafi’i (gest. 820) hat in seiner Systematisierung der islamischen Jurisprudenz den Stellenwert von Sunna als Rechtsquelle als sunnatu ‘n-nabiyy (سنة النبي) genauer definiert; es sind Hadithe, die mit einer ununterbrochenen Kette (Isnad) der Überlieferer auf den Propheten zurückgehen.[3] Es war aber erst Ahmad ibn Hanbal († 855), der eine Verbindung zwischen Sunna des Propheten als Rechtsquelle und dem Korantext herzustellen versucht hat; hierbei griff er auf Sure 33, Vers 21 zurück:
„Im Gesandten Gottes habt ihr doch ein schönes Beispiel…“
Die Sunna des Propheten gilt nach dem Koran als die zweite Quelle des islamischen Rechts und als höchste persönliche Instanz in der Gemeinschaft der Muslime (Umma). Seine Autorität – neben der Offenbarung – wird auch im Korantext mehrfach betont:
„Ihr Gläubigen! Gehorchet Gott und Seinem Gesandten und wendet euch nicht von ihm ab, wo ihr doch hört!“
Siehe auch Sure 5, Vers 92; Sure 24, Vers 54 und Sure 64, Vers 12.
Derjenige, der die Sunna des Propheten befolgt, ist ṣāḥib al-sunna, der dadurch folglich auch die Eintracht in der Gemeinschaft der Muslime bewahrt; schon im zweiten muslimischen Jahrhundert (8. Jhd. n. Chr.) hat man zahlreiche Vertreter der Hadith-Wissenschaften in diesem Sinne als ṣāḥib as-sunna wal-dschamāʿa صاحب السنة والجماعة, DMG ṣāḥibu ʾs-sunna wa-ʾl-ǧamāʿa bezeichnet.[4]
Die islamische Tradition verbindet somit Koran und Sunna zu einem zu befolgenden Maßstab als Garant für die Einheit der Muslime und bringt diesen Gedanken in der Schilderung der letzten Rede Mohammeds während der sog. Abschiedswallfahrt zum Ausdruck:[5]
„Ich habe euch etwas Klares und Deutliches hinterlassen; wenn ihr daran festhaltet, werdet ihr niemals in die Irre gehen: Gottes Buch und die Sunna seines Propheten.“
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